(R)Auszeit im grünen Allgäu
Als die Bergsehnsucht Ende Juni bis ins Unendliche wuchs, beschlossen wir spontan, einfach unsere sieben (-tausend) Sachen zu packen, ins Auto zu hüpfen und in Richtung Süden aufzubrechen. Ein Ziel war auch schnell gefunden: das wunderschöne Allgäu, genauer gesagt, Oberstdorf.
Im Jahr 2015 waren wir, damals noch zu zweit, schon einmal dort. Das war gleichzeitig unser allererster richtiger Bergurlaub und der erste Urlaub allein — damals mit riiiiiesigen Rucksäcken und einer abenteuerlichen An- und Abreise im Zug (als wir auf dem Rückweg einen halben Tag in Nürnberg feststeckten, da alle Züge ausfielen, fiel leider auch die Entscheidung…der Zug wird es wohl nicht noch einmal werden).
Naja, jedenfalls waren wir quasi auf unseren eigenen Spuren und deswegen auch ein kleines bisschen nostalgisch unterwegs. So viel ist in den letzten Jahren passiert — das Beste ist aber definitiv unser felliger Begleiter, den wir nun im Schlepptau hatten.
Die Reiseplanung reduzierte sich auch auf ein Minimum, da ich als Fotoverrückte und Planungsbesessene schon ungefähr zehn perfekte Wander- und Fotourlaube im Repertoire hatte.
Deswegen ging alles auch ganz schnell: Lebensmittel für eine etwa 3-wöchige Expedition wurden gekauft, alle Campingsachen im Auto verstaut, der beim Anblick des Gepäcks schon viel zu aufgeregte Hund eingeladen und los ging es!
Donnerstagabend gegen 18:00Uhr begann die wilde Fahrt Richtung Alpen. Ich benutze hier absichtlich nicht das Wort „Urlaub“, denn damit haben Reisen mit mir leider wirklich nicht viel zu tun ;D An dieser Stelle noch einmal ein großes Sorry an meinen Liebsten!
Wie immer war nämlich gleich am ersten Tag das Ziel: Sonnenaufgang am Gipfel. Und so startete unsere erste Wanderung pünktlich um 1:36 Uhr auf dem Parkplatz der Nebelhornbahn.
Haltet mich für verrückt…aber ich finde es so toll, durch die Nacht zu wandern. Irgendwie ist da immer eine Mischung aus Aufregung, Euphorie und auch ein bisschen Angst. Vor allem am Anfang unserer Route, die entlang des Faltenbachtobels führte und bei der mir durch die tosenden Wassermassen neben dem Seh- auch noch der Gehörsinn stark eingeschränkt wurde…ja, da war mir schon ein bisschen mulmig. Aber irgendwie ist der Reiz, allein am Gipfel zu stehen und einen spektakulären Sonnenaufgang zu erleben, trotzdem immer größer als alle negativen Gefühle und all‘ die Anstrengung, die man dafür auf sich nehmen muss. Gegen Ende der Tour wurde unser Weg steil, sooo steil! Das Ziel fest im Blick, bissen wir uns aber durch und stapften dem grünen Gipfel entgegen. Nahe dem vielbegangenen und auch mit der Gondel erreichbaren Zeigersattel befindet sich der unscheinbare Gipfel „Zeiger“, von dem aus wir den neuen Tag begrüßen wollten. Gut vorbereitet, wie wir waren, konnten wir uns trockene, dicke Sachen anziehen und der Blick auf die Uhr verriet – viel zu zeitig dran! Eine Stunde mussten wir bis zum Sonnenaufgang überbrücken und es war, wie immer, noch viel kälter als gedacht. Trotz dicker Kleidung bibberten wir ziemlich und waren heilfroh über unsere Biwaksäcke, in die wir uns dann verkriechen konnten, um noch ein paar Minuten zu ruhen…
Viel Ruhe war uns allerdings nicht gegönnt, da wir nach wenigen Minuten Besuch bekamen. Eine vorwitzige Gämse ließ sich von unserer Anwesenheit überhaupt nicht abschrecken, viel eher noch war sie so neugierig, dass sie bis auf wenige Meter an uns herankam und uns beäugte. Sogar unserem sonst sehr jagdaffinen Hund war das überhaupt nicht geheuer und er saß nur stocksteif da, starrte den überraschenden Besucher an und zitterte sogar ein bisschen. So verging die Wartezeit ein bisschen schneller, hatten wir doch einiges zu lachen.
Aus dem spektakulären Sonnenaufgang wurde an dem Tag leider nichts. Den vorhergesagten klaren Himmel gab es nicht; dafür aber dicke dunkle Wolken, durch die einige wenige Sonnenstrahlen blitzten. Ein bisschen enttäuscht war ich schon, aber die Stimmung war trotzdem überwältigend. Und vor allem waren wir mutterseelenallein. Wir verbrachten noch ein bisschen Zeit am Zeigersattel und stiegen schlussendlich in Richtung Seealpsee ab.
Auf dem nicht zu unterschätzenden Abstieg ins Oytal begegnete uns nach ein paar Stunden dann der erste Wanderer – der dachte bestimmt auch, er wäre heute der Erste oben!
Wieder am Parkplatz angekommen beschlossen wir. uns die tosenden Wassermassen des Faltenbachtobels noch einmal im Hellen anzusehen. Auch jetzt, um die Mittagszeit, waren hier keine Menschen unterwegs und das erstaunte uns sehr – war doch der Weg entlang des Wassers so eindrucksvoll. Und so bekam ich schon am ersten Tag meine ersten Wasserfallfotos! Ach, wie sehr ich es liebe, dem tosenden Wasser zu lauschen und mir die kühlen Wasserwogen um den Körper wehen zu lassen!!
Nachdem wir uns einen Campingplatz gesucht hatten (aus nostalgischen, aber auch aus finanziellen Gründen der selbe wie bereits 2015 — an den Bahnschienen! 😀 Das ist aber auch bei beiden Besuchen der einzige Makel gewesen…ansonsten hatten wir eine wundervolle Zeit dort ), holten wir erst einmal ein wenig Schlaf nach.
Denn für den nächsten Tag war wieder eine größere Tour geplant: es sollte zum Rappensee gehen!
Mit genügend nachgeholtem Schlaf ging es am nächsten Morgen frisch und munter vom Parkplatz der Fellhornbahn aus los: zuerst eben durch das Stillachtal, dann steiler werdend durch dunkle Wälder und entlang kleiner Bäche bis zur Petersalpe. Man kann den Weg auch verkürzen, indem man bis Birgsau den Wanderbus nutzt.
Ab der Petersalpe ging es über die grünen Hänge des Allgäus in schweißtreibenden Serpentinen steil bergauf. Die Sonne brannte uns schon ganz schön in den Nacken, da waren die kleinen Rinnsale am Hang eine willkommene Abkühlung. Trittsicher und schwindelfrei sollte man für diese Tour auf jeden Fall sein, denn es geht stets am Steilhang entlang. Garantiert sind dabei am immer wunderschöne Ausblicke auf die umliegenden Bergketten. Vorbei ging es an der Enzianhütte und weiter über sanftes Almgelände, bis er dann endlich vor uns lag: der Rappensee!
Wir stiegen über den Eselsweg in Richtung Schwarze Hütte wieder ab. Der Weg hatte eine so perfekte Steigung und wunderschöne Trails, so dass wir es uns nicht nehmen lassen konnten, endlich mal wieder zu rennen. Ach, was war das für ein tolles Gefühl! Ich hatte ein paar Wochen verletzungsbedingt pausieren müssen… und dieser Weg ins Tal fühlte sich nun einfach perfekt an. Im dichten Wald gab es dann auch noch ein Meer von Farn – und so war auch das Fotografenherz überglücklich!
Der Weg durch das Tal zurück zum Parkplatz fühlte sich zugegebenermaßen nicht mehr ganz so toll an. Es ging eben und ziemlich unspektakulär in Richtung Ausgangspunkt und zudem wurden wir durch Dauerregen nass bis auf die Unterwäsche…aber ich will ja nicht meckern; dafür war der Rest des Weges umso toller!
Auch, wenn das hier vielleicht nicht so aussieht:
WIR LIEBEN ZELTEN! 😀
Gegen 20 Uhr kamen wir erst wieder am Campingplatz an. Dann galt es ja noch Essen vorzubereiten, zu duschen, Sachen für den nächsten Tag zu packen…
Ja, und dann folgte der Blick auf die Wetterapp, der mich einmal mehr dazu veranlasste, den Wecker auf 2 Uhr nachts zu stellen. Vorhergesagt war ein wunderschöner Sonnenaufgang und durch den Regen erhoffte ich mir dichten Nebel im Tal. Soweit der Plan. Dass der Wettergott uns aber ein zweites Mal in der kurzen Zeit im Stich lassen würde, ahnten wir da ja noch nicht.
Und so starteten wir wieder am Parkplatz der Nebelhornbahn. Dieses Mal jedoch erst um 2:45 Uhr und mit dem Ziel: Rubihorn! Das Rubihorn hatten wir auch schon im Jahr 2015 bestiegen – damals war das unsere erste richtige Bergtour und wir waren danach für den Rest der Woche außer Gefecht gesetzt. Dieses Mal schätzten wir unsere Kondition, aber vor allem unsere Erfahrung fortgeschrittener ein und so wählten wir für den nächtlichen Aufstieg sogar die kürzere Route über den Klettersteig. Zugegeben: schön waren die ersten etwa 2 Stunden des Aufstiegs wirklich nicht. Von der angeblich besseren Kondition merkte ich rein gar nichts. Vermutlich hatten auch die zwei großen Touren der Vortage etwas damit zu tun und die Tatsache, dass wir hier mitten in der Nacht ohne Frühstück durch die Berge krochen und ich zuvor vor Aufregung nicht eine Sekunde die Augen zugemacht hatte, machten es auch nicht leichter. Erst als die Kraxelei losging, begann es für mich einfacher zu werden. Ich musste mich konzentrieren, hatte etwas zu tun und Kenai, der neben mir von Stein zu Stein hüpfte, motivierte mich immer mehr. Angekommen am Gipfel bewahrheitete sich, was ich schon den ganzen Aufstieg befürchtet hatte: das wird nichts mit dem Sonnenaufgang! Das Nebelhorn machte seinem Namen alle Ehre und der Himmel war verhangen von einer dicken grauen Wolkendecke. Ein Positives hatte es: unsere dieses Mal noch dickeren Sachen hielten uns mollig warm. Nach einem kurzen Gipfelfrühstück machten wir uns auch schon an den gerölligen Abstieg in Richtung Unterer Gaisalpsee. Ich fand, der Weg war absolut nicht zu unterschätzen und staunte, was ich damals so völlig unbeeindruckt bei der ersten Gipfeltour hingenommen hatte. Oder ich hatte es schlicht und einfach wieder verdrängt…
Unser Weg führte uns vorbei an allerlei tierischen Bergbewohnern: Gämsen, Murmeltiere, abertausende Alpensalamander…Am Gaisalpsee genossen wir noch eine Weile die Ruhe und die absolute Einsamkeit in dieser Idylle, bis dann nach einiger Zeit die ersten Wanderer und Trailrunner eintrudelten und an uns vorbei in Richtung Rubihorn aufstiegen. Auch, wenn wir dieses Mal wieder kein Wetterglück hatten…. schon allein wegen der Ruhe vor den tagsüber herrschenden Besucherströmen ist es jedes Mal wieder jede Mühe und jede schlaflose Nacht wert, vor Sonnenaufgang unterwegs zu sein!
Zurück am Campingplatz verbrachten wir einen komplett verregneten Nachmittag im Zelt – bei dem gleichmäßigen Geprassel konnte ich unheimlich gut ein bisschen Schlaf nachholen und außer Kochen und ein bisschen Gassi gehen passierte ansonsten nicht mehr viel.
Und der nächste Tag stand leider schon wieder komplett im Zeichen des Aufbruchs. Das ist der Nachteil an Kurztrips…sie sind wirklich wirklich kurz. Aber es hat auf jeden Fall gereicht, um viele Eindrücke und Erlebnisse reicher zu sein und einfach mal raus zu kommen! Nach dem Frühstück packten wir unsere Sachen zusammen und verließen den Campingplatz zu unserer letzten Station: die Breitachklamm. Auch hier waren wir vor 6 Jahren schon einmal; meine Erinnerungen haben mich aber ein kleines bisschen an der Nase herumgeführt. Natürlich war die Klamm wunderschön, aufregend und definitiv auch einen Besuch wert! Aber ich war auch froh, sie irgendwann wieder hinter mir lassen zu können… die Klamm und die tausenden Menschen, die sich mit uns zusammen da durchgeschoben haben. Und ich musste einmal mehr realisieren, dass ich sowas echt nur noch sehr schwer ertragen kann. Deswegen bleibe ich, so schön solche Hotspots auch anzusehen sind, lieber in den ruhigeren Ecken. Oder zu den ruhigeren Tageszeiten… 😛
Und weil ich ja nie genug bekomme und eines meiner Zielfotos auch noch nicht im Kasten war, hielten wir auf dem anschließenden Heimweg auch noch ein letztes Mal an… und diese noch so kleine Wanderung war wirklich ein Highlight!
Mehrere Wasserfälle, einer davon ziemlich groß und einen perfekten Fotofelsen für Kenai gab es auch! Und mit diesen Fotos inklusive des erhofften Familienfotos konnte ich mich dann auch beruhigt auf den Heimweg machen! Schöner hätte es wirklich nicht enden können.
Vielen Dank für’s Lesen und zuschauen! Ich hoffe, euch hat unser kleiner Reisebericht gefallen!