Keep It Wild

Norwegen 2022 -
Auf der Suche nach Freiheit

Wie könnte ich jemals wieder irgendwo anders hinreisen als nach Norwegen?
Diese einzigartige Natur, die Ruhe, die Weite und die unendliche Freiheit haben mich völlig in ihren Bann gezogen. Auch dieses Mal, bei unserer zweiten Norwegen-Reise, hätte ich nicht überwältigter sein können. Unser Trip führte uns dieses Mal ein bisschen weiter in den Norden. Wenn auch immer noch in Südnorwegen gelegen, fühlte es sich hier noch ein bisschen wilder, noch ein bisschen unberührter an. Insgesamt waren wir wieder 2 Woche unterwegs und haben dabei 3.613 km mit dem Auto zurückgelegt, sind hunderte Kilometer gewandert, haben Sonnenuntergänge genossen, an ewigen Regentagen gebibbert, Gletscher, Gipfel und Wasserfälle besucht und einfach eine unfassbare Zeit gehabt!

Die Reise beginnt

Es ist der 20.Juni 2022:
Pünktlich um 19 Uhr saßen wir voller Aufregung, Vorfreude und auch ein bisschen Nervosität in meinem bis unter’s Dach vollgepackten Auto- endlich ging es los! Vor uns lag eine lange Anreise, aber ich konnte es kaum erwarten, endlich wieder in die Weite und Freiheit Norwegens einzutauchen. Wir fuhren durch die Nacht, durften Zeuge „leuchtender Nachtwolken“ werden und kamen mit Hilfe von Podcasts und Musik ein bisschen müde, aber überpünktlich am Fährhafen von Hirtshals (Dänemark) an.

"Leuchtende Nachtwolken" begleiteten unsere Anreise (Foto aufgenommen um 2 Uhr nachts)

Weil wir viel zu zeitig waren, wollten wir noch für ein Stündchen die Augen schließen, bogen dreimal komisch ab und landeten…auf dem Strand! Sowas kannte ich gar nicht, aber in Dänemark scheint das ganz normal zu sein: es gibt dort Autostrände! Jede Müdigkeit war vergessen und ich beinahe etwas hysterisch, hier einfach zum Sonnenaufgang mitten auf dem Strand zu fahren! 😂 Natürlich mussten auch noch schnell ein paar Erinnerungsfotos gemacht werden, bevor wir uns vor dem starken Wind (der uns, wie wir da noch nicht wussten, den Urlaub über begleiten wird) im Auto in Sicherheit brachten und noch für eine Weile die Augen schlossen.

Beim Check-In der Fähre lief alles reibungslos und dann waren wir auch schon auf unserem Weg nach Langesund. Der starke Seegang führte dazu, dass eine hier nicht zu nennende Person (🙄😬) gleich mal die Möwen füttern musste…danach ging es aber wieder besser 😂 Ansonsten war die Überfahrt wie auch im Vorjahr bei der Fähre von und nach Kristiansand unproblematisch. Mit Hund darf man sich nur auf dem Außendeck aufhalten (Deck 10), aber hier gibt es auch überdachte Bereiche, falls das Wetter mal nicht mitspielt.

Nach knapp 4 Stunden rollten wir dann endlich auf norwegischen Boden und dann ging die wilde Fahrt auch schon weiter. Unsere Nerven lagen nach der durchgemachten Nacht und der langen Fahrt mittlerweile etwas blank, aber ich wollte eigentlich heute noch an unserem ersten Ziel ankommen. Natürlich hatte ich das bei meiner Planung totaaaal unterschätzt, wie lange in Norwegen alle Autofahrten dauern. Hatten wir ja nicht im Vorjahr schon gemerkt 😂 Gegen 19 Uhr ragten dann endlich die verschneiten Gipfel des Jotunheimen-Nationalparks vor uns auf und all‘ meine Zweifel über die lange und beschwerliche Anreise waren im Nu wie weggeblasen.

(unwissentlich fotografierte) Rentiere im Jotunheimen-Nationalpark

Meine Lieblingsgeschichte unseres Urlaubs ergab sich übrigens erst ein paar Wochen nachdem wir wieder zu Hause waren beim Bilder sichten. Zur Vorgeschichte: schon im letzten Jahr war ich ein bisschen enttäuscht, dass wir keine Rentiere oder Elche gesehen haben. Und auch in diesem Jahr hatte es nicht geklappt, obwohl wir weiter nördlich waren. Dachte ich zumindest. Und dann schaut euch mal das Bild links an. Schaut ganz genau hin. Scheinbar habe ich schon nach ein paar Stunden in Norwegen eine große Herde Rentiere fotografiert, ohne es zu bemerken. Nur falls sich jemand fragt, wie fertig ich von der langen Fahrt war….

Der Jotunheimen-Nationalpark

Der Jotunheimen-Nationalpark liegt mitten in Südnorwegen und gilt als einer der beliebtesten Nationalparks Norwegens. Das Gebirge des Jotunheimen erstreckt sich über eine Fläche von 3500 km² und ist weitestgehend wild und unerschlossen. Der Nationalpark umfasst unzählige Seen, Wasserfälle, Gletscher und ruhige, abgelegene Täler und beheimatet einige der höchsten Berge Nordeuropas. Außerdem ist er Lebensraum für verschiedene Tiere, wie zum Beispiel Elche, Rentiere, Vielfraße und viele mehr. Nach der nordischen Mythologie war Jotunheimen einst der Ort, wo die Jotner – die Riesen – lebten.

Und so verbrachten wir unsere erste Nacht im Heim der Riesen. Und so fühlte es sich für mich auch an: als würde ich aus dem Autofenster auf die Riesen blicken, einfach traumhaft! Obwohl ich unendlich müde war, wachte ich fast stündlich auf, schaute ganz aufgeregt aus dem Fenster und stellte fest, dass es immer noch hell ist!! 😂 Die Mittsommernacht ist echt etwas ganz Besonderes. Ich war nur leider nicht mehr fähig, sie zu nutzen. Aber schauen und genießen reichen ja manchmal auch aus. ❤️

Lauf am Morgen und Wanderung auf den Knutshøe

Und dann kam er: unser erster richtiger Wandertag! Und er begann mit einer Planänderung, denn wir wollten nicht die Riesentour vom Besseggengrat am ersten Tag machen. So beschlossen wir, morgens von unserem Stellplatz aus erstmal eine Runde laufen zu gehen und die ersten Laufkilometer im Jotunheimen-Nationalpark zu bewältigen. Der Weg war wunderschön trailig, aber mindestens genauso matschig und endete an einem Fluss, den wir in unseren Trailrunningschuhen lieber nicht queren wollten. Trotzdem war es ein gelungener Einstand und ich von der Schönheit der Natur direkt wieder in den Bann gezogen.

Nach dem Frühstück-Mittagessen ging es dann los auf den Knutshøe. Dieser Gipfel liegt quasi im Angesicht des berühmten Besseggengrates, ist aber viel weniger begangen und die Tour auch um einiges kürzer und flacher- perfekt also für den Start! Nur der Wind machte uns wirklich zu schaffen; ohne Kaputze war es quasi nicht zu ertragen. Und hier wurde mir die Besonderheit einer Gratwanderung das erste Mal richtig bewusst: man denkt ungefähr 42 Mal: „Da vorne ist der Gipfel!“ – aber er ist es eigentlich nie, sondern immer nur ein weiterer Hügel…vor einem weiteren Hügel…

Zwei mit Hund etwas kniffelige Kraxelstellen galt es auch zu überwinden (eine direkt zu Anfang und eine kurz vor dem endgültigen Gipfel), aber mit etwas Unterstützung war das für Kenai kein Problem. Alles in allem war es eine wunderschöne erste Tour und besonders der Blick auf den Fluss Øvre Leirungen und das Flussdelta waren wirklich einmalig.

Durch das Leirungsdalen geht es zurück zum Startpunkt

Der schöne Gipfel „Knutshøe“ (1517 m.ü.M.) ist der weniger bekannte Nachbar des Besseggen und die viel ruhigere Alternative. Die etwa 14 km lange Rundtour führt über knapp 600 Höhenmeter durch abwechslungsreiches Terrain und wunderschöne, üppige Natur. Während der gesamten Tour hat man einen tollen Blick auf den Besseggen, die umliegenden Seen und das atemberaubende Flusstal. Gleich zu Beginn gibt es einen steilen Abschnitt, der leichte Kletterei erfordert. Danach führt ein guter Weg bis zum letzten Stück vor dem Gipfel, wo es wieder steiler wird. Der Rückweg durch das Leirungsdalen ist eben und unkompliziert, aber dabei nicht weniger atemberaubend schön. Die Rundtour ist gut markiert und von uns eine klare Empfehlung.

Ein langer Tag am Besseggen

Nach der Erwärmungsrunde am Knutshøe war es dann am nächsten Tag soweit: der Besseggen-Grat rief. Schon von Weitem wirkte der langgezogene Kamm wahnsinnig imposant. Als wir dann aber morgens um 5 Uhr im Nebelgeschwader und natürlich Sturm an seinem Fuße starteten, hatten wir noch mehr Respekt. Der Aufstieg flog dann aber geradezu dahin und lief sich ziemlich gut, nur der starke Wind machte uns wieder sehr zu schaffen. Es gab kaum mal eine Pause davon.

Die Überschreitung des Besseggen-Grats ist die wohl berühmteste Wanderung im Jotunheimen-Nationalpark. Jährlich überqueren ca. 30.000 Menschen den imposanten Kamm, der die beiden Seen Gjende und Bessvatnet voneinander trennt. Der tieferliegende Gjende-See schillert in strahlendem Türkis, während der etwas höherliegende Bessvatnet ein dunkles Blau präsentiert. Möglich ist eine Rundwanderung, wobei der Rückweg am Gjende entlangführt. Diese Variante ist mit etwa 27km und 1.244 Höhenmetern eine ordentliche Tagestour. Abkürzen kann man, indem man die Fähre zwischen Memurubu und Gjendesheim für eine Tour nutzt. Empfehlenswert ist die Wanderung eher von Memurubu aus, da man die schwierigere Stelle am Grat dann etwas bequemer im Aufstieg überwinden kann.

Wie auch am Knutshøe dachte ich vor dem eigentlichen Gipfel schon 5 Mal, dass wir ihn endlich erreicht hätten…das täuscht bei einem Kamm wirklich so sehr 🙄😂 Den wirklich höchsten Punkt bedachten wir dann kaum eines weiteren Blickes, bließ uns dort der Wind so stark um die Ohren wie noch nie zuvor und galt es bis dahin über ein großes Schneefeld mühselig aufzusteigen.

Auch als der schmale Grat zwischen den beiden Seen Gjende und Bessvatnet vor uns auftauchte, wollte bei mir nicht so richtig Freude aufkommen. Mittlerweile kochte fast die Panik in mir hoch, da wir nun knapp am Abhang zum viele hundert Meter tieferen See kraxelnd absteigen mussten und der Wind uns dabei von links nach rechts peitschte. Deswegen hatte ich auch kaum Nerven für ein ikonisches Bild dort, ich war nur froh den Abstieg gemeistert zu haben. Kenai merkte man dabei kaum, er stieg uns einfach ganz ruhig und lieb hinterher und ließ sich scheinbar nicht aus der Ruhe bringen (der Hund, der sich zu Hause beim leichtesten Lüftchen am liebsten in Luft auflösen würde! Aber beim Wandern ist immer alles egal.)

Normalerweise ist der Farbunterschied zwischen den beiden benachbarten Seen das i-Tüpfelchen…als wir die Wanderung unternahmen, war der Unterschied aber nicht so deutlich erkennbar wie erhofft. Vermutlich lag aber auch das an dem düsteren stürmischen Wetter. Aber auch dadurch war die Szenerie am schmalen Kamm nicht weniger atemberaubend.

Der Rest des Hinwegs verlief dann unspektakulär. Immer noch im starken Sturm kämpften wir uns unseren Weg abwechselnd bergauf und bergab entlang, genossen wunderschöne Talblicke, unzählige Seen und einfach einen echt tollen Trail. Hier kamen uns dann auch schon wahre Menschenmassen entgegen. Die meisten Wanderer überqueren erst mit der Fähre den See und wandern den Grat dann in uns entgegengesetzter Richtung. Angekommen in Memurubu begann dann der einfache, wenn auch immer noch lange Teil unserer Wanderung, denn wir wollten nicht mit der Fähre zum Ausgangspunkt zurück kehren, sondern auch diesen Weg aus eigener Kraft meistern.

Unser Rückweg verlief mal direkt am Ufer des Sees und mal ein paar Höhenmeter darüber, aber immer wunderschön durch kleine Bäume und mit einem tollen Blick auf das türkisblaue Wasser und die umliegenden Gipfel. Hier kam dann auch die Sonne endlich raus und zauberte Dustin einen Sonnenbrand ins Genick. Nach 10,5 Stunden kamen wir wieder an unserem Auto an, gönnten uns eine Portion Pommes vom Kiosk dort und Kenai eine große Portion Futter, die er aus Müdigkeitsgründen im Liegen fraß. Mal abgesehen von dem Sturm war das sicher eine der schönsten Wanderungen, die wir je gemacht haben! Ich wünschte, ich hätte sie mehr genießen können. Aber vielleicht kommen wir ja auch nochmal wieder… Aber nur, wenn es windstill ist 😂

Verschneite Tage im Jotunheimen-Nationalpark

Nach einer wunderbar ruhigen Nacht an einem wunderschönen Stellplatz auf einer menschenleeren Mautstraße wurden wir am „Morgen“ von strahlendem Sonnenschein geweckt (um etwa 4 Uhr traf uns die Sonne in unserem Tal bereits). Wir dösten aber noch eine Weile weiter und starteten ganz ruhig in den Tag. Geplant war eine 30km-Runde im Jotunheimen Nationalpark, doch die Idee verwarfen wir nach unserer großen Tour vom Vortag schnell wieder. Ohnehin wäre es nicht wirklich machbar gewesen, da hier noch Unmengen an Schnee lagen und die meisten Wege noch nicht wanderbar waren. Deswegen starteten wir direkt an unserem Schlafplatz und landeten bald inmitten der schönsten wilden Berglandschaft…riesige schneebedeckte Gipfel, unzählige vereiste Seen, dazu der strahlende Himmel und nur eine leichte Brise… Das „Heim der Riesen“ verschlug uns vor lauter Schönheit glatt den Atem.

Wir bestiegen dann nur einen kleinen Gipfel, von dem aus man aber einen Rundumblick auf die schönsten Berge und in die angrenzenden Täler hatte. Das Wetter war sogar so perfekt, dass wir einfach ein paar Stunden dort auf dem Gipfel verbringen konnten… Ganz allein, nur wir drei. 🤍 Wir machten ein bisschen Yoga, genossen die Zeit und schauten einfach nur. Ein ganz bisschen schmerzte der Abschied von „unserem“ kleinen Gipfel dann am Ende sogar…das war einfach viel zu schön dort.

Ein Regentag im Breheimen-Nationalpark

Unser 5. Reisetag schien erst in keinem allzu guten Licht zu stehen. Unser nächster Halt war der Breheimen-Nationalpark. Wir packten unser Auto und verließen (schweren Herzens) unseren wunderschönen Stellplatz im Jotunheimen-Nationalpark mit Blick auf den Stetinden. Nach wenigen Minuten erreichen wir schon den Startpunkt für unsere geplante nächste Wanderung, doch die sollte nicht allzu weit gehen. Nach etwa einer Stunde Aufstieg wurden die Schneefelder immer größer und ungemütlicher und ein viel zu breiter Fluss beendete unsere Tour für dieses Mal.

Wieder am Auto angekommen, beschlossen wir, uns auch noch den eigentlichen Rückweg unserer Runde für ein paar Kilometer anzuschauen.. auch hier sah es lauftechnisch nicht viel besser aus, die Natur war aber wieder einmal unglaublich schön.

Aber nicht geglückte Rundwanderung trübte unsere Stimmung und Begeisterung nicht wirklich. Mit dem Auto ging es anschließend weiter über das Sognefjell und dort war die etwas missglückte Tour vom Vormittag dann sehr schnell wieder vergessen. Wir waren uns einig: das war die beste Straße aller Zeiten! Ich kann kaum in Worte fassen, wie atemberaubend schön es dort überall war. Alle paar Kilometer mussten wir anhalten, staunen und fotografieren. Wasserfälle, verschneite Gipfel, gefrorene Seen und gewundene Straßen wechselten sich ab und machten unsere Fahrt zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Die Fahrtzeit verging wie im Flug und einmal mehr wünschte ich mir, dieser Straße für immer folgen zu können. Egal, wohin man schaute- es sah überall überwältigend aus.

Auch auf dem nächsten Pass enttäuschte uns die Natur nicht und beschenkte uns mit einem Regenbogen, leuchtenden Bergen und nebelüberzogenen Flüssen. Das ist wohl der Vorteil an diesem unbeständigen Wetter und auch der Grund, aus dem ich es dem schönsten Sonnenschein immer vorziehen würde.

Mächtige Wasserfälle im Utladalen

Auf diesen Tag freute ich mich insgeheim fast am meisten: endlich standen mal wieder Wasserfälle auf dem Plan. Direkt am Parkplatz wurden wir schon vom mächtigen Hjellefossen geduscht, was uns aufgrund des tollen Wetters aber nichts ausmachte. Der Weg verlief relativ einfach, aber stets spektakulär neben dem zu der Zeit wirklich reißenden Fluss Utla vorbei am Wasserfall Avdalsfossen, der sich über 172 Meter ins Tal stürzt…. und schließlich über einen steilen Pfad bis hoch zum Kopf des Vettisfossen – dem höchsten Wasserfall Norwegens.

Die freie Fallhöhe von 275 Metern ließ uns sprachlos zurück- das war mit Abstand der krasseste Wasserfall, den wir je besucht hatten! Bei sommerlichen Temperaturen machten wir uns nach einer kurzen Erfrischung im Bach wieder an den Abstieg, um dann 300 Meter tiefer noch einen kleinen Abstecher zum Fuße des Vettisfossens zu machen. Auch hier wurden wir von den schieren Wassermassen und der unbändigen Naturgewalt komplett vom Hocker gehauen.

Als kleines Highlight gab es hier eine wackelige Hängebrücke über die reißende Utla – wir hätten diese nicht überqueren müssen, aber konnten es doch nicht ungenutzt lassen. Und sogar Kenai wagte sich fast ohne Zögern auf den wackeligen Untergrund. Da war ich wirklich erstaunt- ich persönlich war völlig fassungslos, so dicht über den laut und übermächtig tosenden Wassermassen zu stehen. Da waren wir wirklich stolze Hundeeltern. Dafür kneift der „mutige“ Kerl bestimmt beim nächsten Aufstieg wieder…

Ein Morgen auf dem Molden

Für den nächsten Tag war jede Menge Regen angesagt. Deswegen entschieden wir, möglichst viel eines regenfreien Zeitfensters auszunutzen, was dazu führte, dass uns unser Wecker um 4 Uhr aus den Schlafsäcken warf. Ohne Frühstück ging es los in Richtung Gipfel des Molden. Wir starteten in einer dichten Nebelsuppe, aber sobald wir die Baumgrenze erreichten, ließen wir auch die dichten Wolken unter uns zurück und konnten den fantastischen Blick über das weiße wogene Meer genießen.

Am Gipfel kamen dann auch noch Ausblicke auf die umliegenden Fjorde und vor allem die aus der Nebeldecke brechenden verschneiten Bergspitzen hinzu. Die Aussicht war einfach spektakulär und ich hätte nicht glücklicher über die Wetterbedingungen sein können! Nach einem kurzen Frühstück und Unmengen an Bildern, Videos und endlich auch mal Drohnenaufnahmen machten wir uns wieder an den Abstieg und kamen pünktlich zum Beginn des nächsten Schauers glücklich am Auto an.

Dauerregen am Austerdalsbreen

Weiter ging es dann in Richtung Austerdalsbreen. Über enge Berg- und später auch Mautstraßen führte uns unsere Fahrt im strömenden Regen zum nächsten Highlight. Es kostete zwar einiges an Überwindung, aus dem warmen und trockenen Auto auszusteigen, aber eingepackt in Poncho und Regenhose trotzten wir dem Wetter und hatten tatsächlich eine tolle Wanderung. Der Weg war zwar nicht ganz einfach, da sich die meisten Pfade in kleine Flüsse verwandelt hatten und wir die meiste Zeit nur von Stein zu Stein balancieren konnten, aber am Ende lohnte sich der Weg doch und wir konnten den mächtigen Austerdalsbreen bestaunen.

Auf der anschließenden Autofahrt erwischten wir dann gleichzeitig ein regenfreies Zeitfenster und ein wunderschönes Lupinenfeld, so dass auch dieser Fototraum für mich in Erfüllung ging.

Das Highlight schlechthin: Eine Nacht auf dem Hornelen

Weiter ging es noch an dem Abend mit dem Auto in Richtung Küste. Unser Plan ging auf und wir entkamen dem Regen vorerst. Nach einer Nacht auf einem Stellplatz an einem Fluss machten wir einen kurzen Abstecher zum Huldefossen, der sich quasi direkt an der Straße (naja, und auf einer Kuhweide) befand, und nochmal zum Fotografieren verführte. Die Kühe interessierten sich nicht für uns Drei und wir konnten noch ein paar schöne Aufnahmen vor dem tosenden Wasserfall machen.

Danach ging es dann aber wirklich weiter zu unserem Ziel: dem Hornelen – die höchste Meeresklippe Nordeuropas! Die stand für unseren Urlaub ganz oben auf meiner Wunschliste, weshalb wir auch diesen Umweg bis zur Küste in Kauf nahmen. Ich hatte dementsprechend echt große Erwartungen an unsere Tour. Der Plan war nämlich, dort oben zu zelten und sowohl Sonnenauf- als auch Sonnenuntergang bestaunen zu können. Der Wetterbericht erschien vielversprechend, aber als wir am Fuße der Klippe entlangfuhren, hätte ich am liebsten alle Pläne wieder gecancelt. DA HOCH? Mit dem ganzen Gepäck???

Und ich will nicht lügen: die Tour war echt der Oberhorror. Es ging durchweg über zuerst komplett nasse und matschige Wege (natürlich hatte ich mich an dem Tag für die wasserdurchlässigen Trailrunningschuhe entschieden 😬🙄) und später dann über spitze Steine und endloses Geröll immer steil bergauf. Nur Kenai schien wie immer einen tollen Tag zu haben…aber der hatte ja auch kein Gepäck. Beim nächsten Mal kriegt er auch einen Rucksack, das habe ich ihm geschworen! 😂

Auf jeden Fall kamen wir nach einem endlos scheinenden Aufstieg überglücklich und sicher an, schlugen unser Zelt auf einer Grasfläche kurz unter dem Gipfel auf und schliefen erstmal 2 Stunden, ohne dass ich den Gipfel überhaupt einmal betreten hatte. Pünktlich zur goldenen Stunde klingelte der Wecker uns wieder aus den Schlafsäcken und wir konnten vom Gipfel aus ein wahres Spektakel der Farben erleben. Der Blick war in alle Richtungen einfach nur überwältigend und alle Strapazen mit einem Schlag wieder vergessen. Der einzige, dem nicht nach Rumkraxeln und ganz besonders nicht zum Modeln zu Mute war, war Kenai. Der war nämlich einfach nur noch hundemüde. Deswegen brachten wir ihn kurz vor Sonnenuntergang zum Zelt, wo er dann ganz beruhigt schonmal schlafen konnte, während wir noch die letzten Sonnenstrahlen auf den Klippen jagten.

Zum Sonnenaufgang klingelte auch ein Wecker. Nach einem müden Blick aus dem Zelt und dem Urteil „schöner als gestern Abend kann es nicht mehr sein“ drehte ich mich aber wieder um und schlief weiter.

Das war wohl die stillste Nacht meines Lebens. Ich wusste vorher glaube ich gar nicht richtig, wie sich absolute Stille anfühlt. Aber da war sie. Kein Wind ging, kein Tier machte einen Laut, die Geräusche des Tals waren eh weit unter uns. Das war einfach perfekt dort oben und wirklich jede Anstrengung wert.

Die Hütte in der einsamen Wildnis

Der Abstieg war genauso unwitzig wie der Aufstieg, aber wir ließen uns Zeit und stiegen einfach ganz vorsichtig und gemütlich ab. Mein Fazit: das war echt wunderschön, aber das mit den schweren Rucksäcken schon ein bisschen Horror und nicht der Wiederholung wert.

Dabei vergaß ich offensichtlich, dass wir ab diesem Tag für 2 Nächte eine kleine AirBNB-Hütte auf einem einsamen Berg gemietet hatten, die man nur zu Fuß erreichen kann. Ja blöd, da musste das Gepäck also wieder hoch. Im Internet stand etwas von einer Stunde Aufstieg, aber wenn dieser überwiegend weglos und vor allem komplett unter Wasser zu bewältigen ist, kann das auch ganz schön nervenaufreibend sein (nagut, und wir haben auch 1,5 Stunden gebraucht). Vorher galt es aber, mit einem Ruderboot einen See zu überqueren und dabei einen nicht wirklich markierten Weg zu finden- das war quasi unsere Interpretation von „Ausgesetzt in der Wildnis“.

Mein Lieblingszitat meines Mannes an dem Tag: „Voll lustig: ohne dich wäre ich nicht hier, weil ich sowas ohne dich nicht machen würde und ohne mich wärst du nicht hier, weil du den Weg nicht gefunden hättest.“ 🙄😂

Danach begann der rutschige und steile Aufstieg zu Fuß. Einen kleinen Nervenzusammenbruch und wirklich wirklich nasse Wanderschuhe später, erreichten wir sie aber: unsere kleine Hütte. Schon im ersten Augenblick erschien sie perfekt. Toller Blick in Richtung Sonnenaufgang und -untergang, unendlich ruhig und einfach mitten im Nichts. Genau so hatte ich es mir vorgestellt und das entlohnte den nassen Aufstieg doch sehr. Etwa 200 Meter von der Hütte entfernt gab es einen Fluss mit einem Wasserfall, wo wir badeten und uns wuschen, dann gab es Abendbrot und nichts mehr zu tun als fotografieren, Spiele spielen und dann endlos schlafen.

Wanderung im Nirgendwo

Am Morgen oder eher spätem Vormittag des nächsten Tages entschieden wir, doch mal eine kleine Runde zu drehen. Von schweren Rucksäcken hatte ich vorerst aber wirklich die Nase voll…deswegen ging es nur mit ein bisschen Wasser und Snacks los.

Wege waren hier auf keiner Karte eingezeichnet, aber wir hofften, trotzdem irgendetwas Schönes zu entdecken. Nach einer halben Stunde weglosem Aufstieg stießen wir dann zufällig wirklich auf eine kleine rote Wegmarkierung und von da an folgten wir einem kleinen zuletzt scheinbar nur von Schafen begangenen Weg entlang steiler Hänge, tiefer dunkler Seen und unterhalb schroffer Gipfel, bis wir irgendwann tatsächlich selbst am Gipfel eines Berges ankamen und zu unserer großen Überraschung sogar das Meer sehen konnten! Viel besser hätte es wirklich nicht laufen können und wir machten uns glücklich und mit einem kurzen Bade-Abstecher an einem Bergsee wieder auf den Rückweg zu unserer Hütte.

Den Weg von unserer Hütte zum Fluss legten wir übrigens konsequent nur noch barfuß zurück, weil es auch hier galt durch tiefe Pfützen mit Moos zu waten. Aber schön war das allemal und irgendwie auch was ganz Besonderes…wir dort oben so ganz allein und ausgesetzt in der Wildnis. Das einzige, was unsere Idylle ein bisschen störte, waren die Mücken. Die fielen nämlich an den Abenden dort das erste und einzige Mal in diesem Urlaub über uns her.

Baden im Vetlefjord

Nachdem ich am nächsten Tag zum Sonnenaufgang noch einmal kurz aus der Hütte lugte und die wunderschöne Szenerie fotografierte, war es leider schon wieder Zeit, unserer kleinen Hütte Lebewohl zu sagen. Hätten wir gewusst, dass wir uns gleichzeitig fast auch vom schönen Wetter verabschieden, wären wir wohl noch etwas wehleidiger gewesen. Vorerst brach aber eine Hitzewelle über uns herein. Wir jammerten ein bisschen, dass uns zu warm war, suchten die Abkühlung im viel zu kalten Vetlefjord, und machten ansonsten an dem Tag nicht mehr viel. Das Gejammer über „Hitze“ sollten wir übrigens gleich am nächsten Tag bereuen.

Eiseskälte am Bakkanosi

Für den nächsten Tag stand der Bakkanosi auf dem Wanderplan- ein Gipfel mit Blick in den Næroyfjord, dem schmalsten Fjord der Welt. Wir starteten bei niedrigen zweistelligen Temperaturen und Nieselregen und kämpften uns die ersten sehr steilen Kilometer den breiten Wanderweg hinauf bis zu einem kleinen Dorf. Von da an ging es über einen schmalen Pfad immer stetig bergan entlang des wunderschönen Tales. Teile des Weges glichen auch hier wieder einem Fluss und wir bewegten uns mal wieder von Stein zu Stein hüpfend vorwärts. Mein Mann verglich unsere Wanderungen hier mit Takeshis Castle…gar nicht soooo weit hergeholt 😬

Leider wurde das Wetter immer schlechter und wir dadurch immer schneller, um es noch rechtzeitig zu schaffen. Es ging weiter über Schneefelder und Geröll und kurz vor dem Gipfel öffneten sich dann wirklich alle Schleusen. Hinzu kam, wie sollte es anders sein, Sturm. Und in Verbindung mit den Temperaturen von etwa 5°C hier oben lud das nicht unbedingt zum Verweilen ein. Der Blick über den Næroyfjord war aber wirklich spektakulär und ich hätte ihn wirklich ungern verpasst! So machten wir nur ein paar wenige Erinnerungsfotos und dann begann auch schon unser Highspeed-Abstieg.

Mit klammen Händen und komplett durchnässter Kleidung (kennt hier jemand wirklich WASSERDICHTE Jacken?? Wir haben jetzt wirklich alles durchgespielt 😂) hüpften und schlitterten wir wieder zu unserem Auto und bestritten unsere 18km- Tour in der ungewollten Spitzenzeit von unter 5 Stunden 🙄😂 Auf dem Schild stand etwas von 8 und bei Komoot sogar was von 8,5 Stunden…nun gut. Auf jeden Fall waren wir danach dankbar über trockene Kleidung und ein bisschen Autofahrzeit.

Der Røyrgrind und noch mehr Wasserfälle

Auf unserem nächsten Stellplatz kurz vor einer Passhöhe war es auch ziemlich ungemütlich. Nur eine kleine Schafherde, die Kenai und uns immer wieder einen Besuch abstattete, sorgte für ein bisschen Aufheiterung, ansonsten merkten wir hier schon, dass das Wetter ganz schön auf die Stimmung drückte. Alles war kalt und nass und wir konnten uns nirgends hin zurückziehen als in unser Auto…und das relativ gemütlich auch nur, wenn wir unser Nachtlager vorbereitet und alles umgeräumt hatten…

Für den nächsten Morgen war ein kleines regenfreien Zeitfenster vorhergesagt, in dem wir den kleinen Røyrgrind besteigen wollten. Wir beeilten uns, erreichten den Gipfel aber erst als schon so einige Wolken die Aussicht über den Fjord versperrten. Auf dem Abstieg traf uns dann natürlich auch der Regen und so stolperte ich wieder einmal in meinem knallroten Poncho den Berg hinab. Nasse Kleidung, Vol. 10 oder so.

„Nass ist nass“ war das Motto und so war unser nächster Halt endlich mal wieder ein Wasserfall. Auf dem Weg zum geplanten Skjervsfossen kamen wir überraschend am Tvindefossen vorbei, der nicht weniger beeindruckend und vor allem irgendwie noch nasser war. Meine arme Kameraausrüstung. Und der arme Hund, der immer davor posieren muss. Und mein armer Mann, der ihn immer in Position bringen muss. 😂 Die haben mit mir alle wirklich ganz viel Spaß.
Die Wasserfälle waren auf jeden Fall beide sehr schön, aber die Toilette am oberen Ende des Skjervsfossen stellte alles andere in den Schatten!! Ganz vielleicht wäre das eine gute Alternative zu einer weiteren klammen Nacht im Auto gewesen 🤔😂

Aussichtslos auf dem Oksen

Für unseren letzten vollen Tag in Norwegen hatte ich uns die Wanderung auf den Oksen rausgesucht. Angenehme Länge, angenehme Steigung und eine tolle Aussicht auf den Fjord, der an dieser Stelle hufeisenförmig verläuft. Das einzige, was nicht so angenehm war, war das Wetter. Naja, und alles drumherum. Am Vorabend bekam Kenai nämlich plötzlich Durchfall , einmal davon sogar blutig, und wir machten uns große Sorgen. Den Wecker für 4 Uhr schalteten wir wieder aus, nachdem wir bis 1 Uhr kein Auge zugemacht hatten…das wäre aber unsere einige Möglichkeit für eine noch trockene Wanderung gewesen. Als wir dann etwas benommen gegen 9 Uhr aufwachten, war Kenai wieder putzmunter und bereit für das nächste Abenteuer 🙄 Wir beschlossen also trotz der Vorhersagen unser Glück zu versuchen, aber nach 2 Stunden begann es tatsächlich in Strömen zu regnen und vom Fjord war auch nichts mehr zu sehen. Das war sie dann wohl, unsere letzte Wanderung.

Auf der Suche nach einem letzten Stellplatz, stießen wir auf eine Mautstraße bei Ålvik, an deren Ende ein Wanderparkplatz und ein kleiner überdachter Rastplatz auf uns warteten- was für ein Segen! So konnten wir mal im Trockenen kochen, irgendwann rissen sogar die dichten Wolkendecken auf und gaben den Blick auf den Fjord frei. Wir drehten sogar noch eine kleine Runde und ganz zuletzt gab es sogar noch einen Regenbogen- was für ein Abschluss. 🌈❤️

Der lange Weg nach Hause

Nachdem es die ganze Nacht durchgeregnet hatte, packten wir immernoch im strömenden Regen unser Nachtlager ein und das Auto um, verschlangen in Eiseskälte aber in unserem tollen überdachten Rastplatz unser Frühstück und brachen dann auf. Kenai wartete die ganze Zeit im Auto, da er vor Kälte zitterte. Der Husky!! Kälte!! Aber er hatte ja auch seine komplette Unterwolle kurz vor dem Urlaub abgeworfen 🙄

Einen kurzen Zwischenstopp gab es noch am Steinsdalsfossen, aber ich muss auch sagen: wir waren müde. Müde vom Wetter. Müde vom Frieren. Deswegen begangen wir sogar einigermaßen froh unseren Heimweg. 

Nach einer schier endlos scheinenden 20 stündigen Fährfahrt von Bergen nach Hirtshals (von der wir ungefähr 15 Stunden einfach nur im Hafen von Stavanger standen!), mussten wir unbedingt noch ein bisschen Zeit am Strand verbringen. Und dann…ja, dann war unserer wundervolle Reise leider auch schon so gut wie vorbei. Es folgte nur noch die ewige Autofahrt nach Hause, die wir uns mit richtig viel Essen irgendwie „schön fraßen“. Und dann war die tollste Zeit des Jahres einfach wieder vorbei.

Meine letzten Worte im Urlaubstagebuch:

Ich werde Norwegen so vermissen. Hier fühlt sich alles so wild, so anders an. Aber den Regen, den Wind und die Kälte, die werde ich mit Sicherheit nicht vermissen. Und das schreibe ich gerade auf der Fähre sitzend mit der Aussicht auf die 30°C zu Hause… Oh, ich ahne jetzt schon, wie sehr ich mich irre….

Und jetzt, ein paar Wochen und Monate später, wenn ich diesen Blogbeitrag schreibe, kann ich die Sehnsucht schon gar nicht mehr in Worte fassen. Norwegen- wir kommen wieder!

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